„Kinder sind empfänglicher für Umweltprobleme“
Die kolumbianische Nichtregierungsorganisation „Wege der Identität“ („Fundación Caminos de Identidad“– kurz: FUCAI) arbeitet seit rund zwanzig Jahren in Amazonien. Ziel der FUCAI-Arbeit ist es, dass die Menschen das Potential ihrer Region gemeinsam nutzen, ohne die natürlichen Ressourcen auszubeuten. Dabei gehören die Sorge um die Natur, der Erhalt guter Traditionen und die Entwicklung neuer Perspektiven zusammen.
Im Interview berichtet Adán Martínez, Leiter der Stiftung FUCAI, über die Situation von Mensch und Umwelt in Amazonien, die Sorgen von Kindern und die Arbeit seiner Organisation.
Wie groß schätzen Sie die ökologische Bedrohung in Amazonien ein? Inwiefern sind die Umwelt und ihre Ressourcen gefährdet und durch wen?
Nach Angaben des kolumbianischen Umweltministeriums wurden allein im sogenannten Amazonasbogen, einem Gebiet das sich über 16 Gemeinden erstreckt, in den vergangenen 21 Jahren insgesamt 1.858.285 Hektar Regenwald abgeholzt. Gründe dafür waren vor allem Viehzucht, der Ausbau von Straßen, Holzgewinnung, illegaler Anbau und Bergbau. In einigen Kommunen sind inzwischen bis zu 20 Prozent der Waldfläche abgeholzt. Die fortschreitende Entwaldung wirkt sich auf das Klima in Amazonien aus. Den Menschen dort bleiben immer weniger natürliche Ressourcen und auch der Lebensraum von Tieren, die den Amazonasbewohnern als Nahrung dienen, wird immer kleiner. Der Klimawandel wirkt sich auch auf die Flussläufe und die Fischbestände aus. Die wichtige Nahrungs- und Proteinquelle für die Menschen der Region nimmt weiter ab. Auch die Ernteerträge werden weniger und die Menschen benötigen immer größere Anbauflächen, um ihre Lebensweise aufrecht erhalten zu können. Hinzu kommt, dass auch die Regenzeit schwieriger vorherzusagen ist.
Inwiefern bedroht dies das Leben von Kindern und Jugendlichen? Wie wird ihr Recht auf eine gesunde Umwelt missachtet?
Die Kinder und Jugendlichen sind von den Auswirkungen des Klimawandels stark betroffen – und wissen das auch. Laut Kinderhilfswerk „Save the Children“ trifft 80 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in Lateinamerika und der Karibik mindestens einmal im Jahr ein Extremwetterereignis. Eine Umfrage der Organisation unter 971 kolumbianischen Jungen und Mädchen ergab: 76,5 Prozent haben das Gefühl, dass der Klimawandel sie oder andere betrifft und 70,65 Prozent sind der Meinung, dass Erwachsene nicht genug für die Umwelt tun. 62,1 Prozent denken, dass die kolumbianische Gesellschaft sehr ungleich ist und dass sich der Klimawandel vor allem auf Kinder und Jugendliche aus den am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen auswirkt.
Der Bericht ergab auch, dass 60,6 Prozent der Befragten bereits schulische oder kommunale Umweltaktivitäten organisiert haben – das sind fast doppelt so viele wie weltweit (35 Prozent). Dieser Wirklichkeit widerspricht die Tatsache, dass Minderjährige auf der
Weltklimakonferenz nicht als Akteure des Wandels anerkannt wurden. Die Umfrage benennt außerdem das Phänomen der sogenannten Öko-Angst, die Kinder und Jugendliche angesichts ihrer Sorge über die Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Umwelt entwickeln. (...)