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Kinderarbeit

Kritische Fragen zur Haltung des Kindermissionswerks

Die Kernarbeitsnormen 132 und 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zielen darauf ab, klare Regeln im Kontext von Kinderarbeit einzuhalten und Kinderarbeit langfristig komplett abzuschaffen. Kinder sind in diesem Zusammenhang junge Menschen bis zum Alter von 18 Jahren. Eines der Nachhaltigkeitsziele (8.7) der Vereinten Nationen fordert eine Abschaffung jeglicher Kinderarbeit bis 2025.

Wir teilen diese Ziele und fordern internationale und nationale Maßnahmen, die zu ihrer Erreichung führen. Gleichzeitig legen wir in unserer konkreten Projektarbeit Wert darauf, differenziert auf die jeweilige Problemlage im Land und damit einhergehende Lösungsansätze einzugehen. So fördern wir beispielsweise auch Programme, die die Arbeitsbedingungen arbeitender Kindern verbessern und ihren Schutz stärken. Auch Maßnahmen unserer Partner, die ein Nebeneinander von Schulbesuch und leichter Arbeit als gangbaren Lösungsweg aus Ausbeutung und Armut betrachten, sind Teil unserer Förderungsmaßnahmen.

Diese Haltung wird häufig kritisch betrachtet und nicht immer verstanden. Deshalb beantworten wir hier zentrale Fragen, um die Motivation unserer Haltung zu erklären und zu begründen.

In der vorherrschenden öffentlichen Meinung wird Kinderarbeit grundsätzlich abgelehnt. Warum spricht sich das Kindermissionswerk für einen differenzierten Ansatz aus?

Die öffentliche Meinung zum Thema Kinderarbeit ist stark emotional geprägt. Viele Menschen lehnen die Arbeit von Kindern grundsätzlich ab.
Umfragen haben ergeben, dass überdurchschnittlich viele Bundesbürger bereit sind, mehr Geld für ein Produkt auszugeben, wenn es ohne Kinderarbeit hergestellt wird. Nun zeigen Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit dass ein reines Verbot die betroffenen Kinder nicht direkt erreicht, und sich auch grundsätzlich an der Tatsache, dass Kinder arbeiten (müssen), nicht genug geändert hat. Ein gutes Beispiel dafür sind die Verbote von Kinderarbeit im industriellen, exportorientierten Sektor. Dort sind durch den Druck der Öffentlichkeit und der Politik die Kinder aus den Fabriken verschwunden. Indien oder Bangladesch sind hierfür gute Beispiele. Doch die konkrete Situation der Familien hat sich in der Folge nicht automatisch verändert. Viele Kinder sind nach wie vor gezwungen zu arbeiten. Nur schuften sie heute meist in Privathaushalten als Hausmädchen mit einem 12-Stunden-Tag oder in sonstigen informellen Sektoren. Manche Kinder rutschen durch solche Verbote sogar ab in die Prostitution oder andere kriminelle Milieus, in denen sie für die Öffentlichkeit nicht sichtbar sind. Pauschale Verbote reichen also nicht aus, wenn Kindern langfristig geholfen werden soll.
Deshalb ist ein differenzierterer Zugang zum Thema dringend notwendig, um Lösungen zu entwickeln (und das am besten mit den betroffenen Kindern), die in der Realität auch greifen und Kinderarbeit reduzieren.

Wo verläuft für die Träger die Grenze zwischen „anerkennenswerter“ und ausbeuterischer Kinderarbeit?

Es gibt keine eindeutige Grenze zwischen ausbeuterischer Arbeit und Arbeit, die noch tolerierbar ist. Dagegen ist es sicher leichter zu beschreiben, was ausbeuterische Kinderarbeit ist. Kinder im Steinbruch, Kinder mit einem 12-Stunden Tag, Kinder an gefährlichen Arbeitsplätzen liegen eindeutig jenseits der Grenze.

Dazwischen befindet sich ein Graubereich. Das macht die Diskussion sicher auch schwierig. Wichtig bei allen Zuordnungen ist jedoch das Wohl des Kindes, das immer im Mittelpunkt stehen muss. Arbeitet es freiwillig ohne Zwang? Ist die Arbeit altersgemäß? Bleibt genug Zeit für Bildung, Spiel und Entspannung? Das sind wichtige Anhaltspunkte für ein kindgemäßes Leben in Würde.

Unterläuft diese Haltung nicht die Bemühungen zahlreicher anderer Organisationen im Engagement gegen Kinderarbeit?

Wir kämpfen gemeinsam mit anderen Organisationen gegen ausbeuterische Kinderarbeit und prangern Strukturen an, die Kinderarbeit mit verursachen, damit Kinder und ihre Familien überleben können. Wenn wir den Blick auf das lenken, was die arbeitenden Kinder tagtäglich leisten (müssen und können), werben wir für einen Perspektivenwechsel: Arbeitende Kinder sollen nicht mehr nur als Opfer wahrgenommen werden, sondern sie sollen als entscheidende Akteure im Problemkreis der Kinderarbeit akzeptiert werden. Dadurch wird Kinderarbeit nicht gutgeheißen. Den arbeitenden Kindern selbst kommt so jedoch eine aktive Rolle zu.

Wird mit einer solchen Haltung nicht auch der Druck von Politik und Gesellschaften genommen, die die Arbeit von Kindern als selbstverständlich hinnehmen?

Der Druck auf Politik und Gesellschaft, für die Kinder in ihrer Mitte so zu sorgen, dass sie kindgemäß aufwachsen können, kann gar nicht stark genug sein. Zusätzlich wollen wir aber auch den Kindern selbst in Politik und Gesellschaft Gehör verschaffen. Sie werden in ihren elementarsten Rechten beschnitten, weil Armut sie zu ausbeuterischer Arbeit zwingt. Sie müssen die Möglichkeit bekommen, sich selbst zur Wehr zu setzen, sich zu organisieren, um gemeinsam mit anderen Kindern und unterstützt von Erwachsenen ihr Leben zu verändern und zu verbessern. Druck von allen Seiten ist also notwendig!

Führt eine solche Haltung nicht dazu, dass Kinderarbeit weiterhin selbstverständlich bleibt und auch die jüngeren Geschwister der arbeitenden Kinder sowie später auch deren eigene Kinder gezwungen sind, zum Lebensunterhalt der Familien beizutragen?

Unsere Haltung zielt immer auf die Verbesserung und Veränderung der Lebenssituation von arbeitenden Kindern. Der Erhalt des Status quo ist das Gegenteil davon.

Kommt diese Haltung nicht einer Kapitulation vor den Zuständen in vielen Ländern der Erde gleich?

Wir geben uns nicht mit der Tatsache zufrieden, dass Kinder arbeiten müssen, weil Armut ihren Alltag bestimmt. Wir erkennen die Leistung der Kinder an, die in ihrem Alltag ums Überleben kämpfen. Wir versuchen unsere Arbeit an der Situation und den Realitäten vor Ort zu orientieren. Deshalb helfen wir, um die Bedingungen von Kinderarbeit dort zu verbessern, wo es im Moment keine Alternative gibt, die den Kindern ein Überleben sichert.

Wird nicht ausser Acht gelassen, dass Kinder oft als Bettler oder Drogenkuriere gezwungen sind, den Grossteil ihres „Gehalts“ an Mafia-ähnliche Organisationen abzugeben? Sind nicht auch sie mehrheitlich Opfer einer ausbeuterischen Form von Kinderarbeit?

Leider ist es eine traurige Realität, dass sehr viele arbeitende Kinder ausgebeutet und missbraucht werden. Das hat nicht nur etwas mit der konkreten Arbeit zu tun, sondern mit dem Umfeld, in dem sie stattfindet. Unsere Beispiele von arbeitenden Kindern, die sich organisieren und gegenseitig unterstützen, wollen nicht Schattenseiten verdecken, sondern Mutmachen und Beispiel geben für die viel zu vielen Kinder, die unter offensichtlichen und verdeckten Formen ausbeuterischer Kinderarbeit leiden.

Das Kindermissionswerk stellt immer wieder das Thema „Kinderrechte weltweit“ in den Mittelpunkt seiner Aktivitäten. Steht das nicht im Gegensatz zur Position im Hinblick auf arbeitende Kinder?

Gerade die arbeitenden Kinder selbst fordern genau diese drei Rechte ein. Nur unter Einhaltung dieser Rechte ist aus ihrer Sicht Kinderarbeit überhaupt vertretbar. Und genau das ist es, was wir in die Diskussion einbringen möchten. Wir sind den Kinderrechten zutiefst verpflichtet und unsere Arbeit und diesbezügliche Aussagen dürfen und werden niemals im Gegensatz dazu stehen.

Wie stellt das Kindermissionswerk ,Die Sternsinger’ sicher, dass zum Beispiel arbeitende Kinder, die ihre Arbeit nicht aufgeben wollen oder können, auch tatsächlich die Chance auf Ausbildung erhalten?

Unsere Projekte sind langfristig angelegt und versuchen immer das gesamte Umfeld der Familien einzubeziehen. Ein Großteil unserer Mittel fließt in Bildungs- und Ausbildungsprojekte. Hier wird versucht, Schulzeit und Arbeitszeit arbeitender Kinder aufeinander abzustimmen. Auch wird soweit wie möglich versucht, die Bildungsinhalte auf die Notwendigkeiten des Alltags abzustimmen, damit Arbeits- und Schulwelt miteinander vereinbar bleiben, und Kinder trotz ihrer Arbeit zur Schule gehen können. Unterstützende Maßnahmen wie Gesundheitsfürsorge, warme Mahlzeiten und das Bereitstellen von Lernmaterialien sind integrale Bestandteile dieser Bildungsprojekte.

Welche Forderung verbindet das Kindermissionswerk ,Die Sternsinger’ mit seiner Haltung zur Kinderarbeit?

Kinderarbeit ist real. Sie existiert in vielen Ländern der Erde. Darum weisen wir auf die Notwendigkeit hin, Armut als zentrale Ursache von Kinderarbeit zu bekämpfen. Der Einsatz für mehr Gerechtigkeit ist für uns als kirchliches Hilfswerk eine fundamentale Aufgabe, die sich aus unserer Grundorientierung am Evangelium ergibt. Konkret heißt das im Kontext von Kinderarbeit: Wenn Kinder arbeiten müssen, weil es im Moment keine Alternativen für sie gibt, dann nur unter Bedingungen, für die es verbindliche Vereinbarungen gibt, die die arbeitenden Kinder ja auch selbst formulieren. Das sind vor allem: Armutsbekämpfung, Recht auf kostenlose Bildung, Schutz vor Missbrauch, gerechte Löhne und würdige Arbeitsbedingungen.

Wir verstehen uns als Anwalt dieser Forderungen an der Seite der arbeitenden Kinder.

Kinderarbeit

Unsere Forderungen

Weltweit müssen 160 Millionen Kinder arbeiten – etwa die Hälfte davon unter ausbeuterischen Bedingungen. Diese Kinder müssen arbeiten, weil ihre Familien arm sind und die Eltern kein gesichertes Einkommen haben. Wir setzen uns für die Veränderung solcher Unrechtsstrukturen ein und lehnen Kinderarbeit als Lösung dieser Probleme ab.

Mehr : Unsere Forderungen

Kinderarbeit bekämpfen

Unsere Vision

Kinder stärken, Familien wappnen, Existenzen sichern: Gemeinsam mit unseren Partnern verfolgen wir verschiedene, sich ergänzende Lösungsansätze. Unser oberstes Ziel: Wir wollen Kinder aus der Arbeit heraus und in die Schulen hinein bringen.

Mehr : Unsere Vision

Im Kampf gegen Kinderarbeit

Internationale Abkommen und politische Massnahmen

Seit ihrer Gründung im Jahr 1919 hat die ILO viele wichtige Normen zur Eindämmung von Kinderarbeit erlassen. Auch die UN-Kinderrechtskonvention stellt einen wichtigen Meilenstein zur Bekämpfung der Kinderarbeit dar.

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