Die Ursprünge des Kindermissionswerks
Vom Mädchen, das anderen Kindern helfen wollte
Vor über 175 Jahren hat ein Mädchen aus Aachen einen Verein gegründet, der heute die weltweit größte Solidaritätsaktion von Kindern für Kinder durchführt: das Kindermissionswerk ,Die Sternsinger‘. Jährlich sammeln rund 300.000 Mädchen und Jungen in königlichen Gewändern Spenden. Zu Beginn war es aber nur ein Kind, das sah, dass es anderen Kindern nicht so gut ging wie ihr: Auguste von Sartorius.
Auguste von Sartorius wird 1830 als einziges Kind von Therese und ihrem Ehemann Georg von Sartorius geboren. Die Familie genießt einen guten Ruf. Der Vater ist Arzt, die Mutter gehört zum Vorstand des Mariannen-Instituts, einer Geburtsklinik in Aachen. Auguste wächst mit drei Halbschwestern auf, die aus der ersten Ehe ihrer Mutter stammen. Auguste entwickelt schon früh eine soziale Ader: Sie kümmert sich um die Kinder ihrer Schwester, besucht regelmäßig Kranke und Arme in der Umgebung und stellt ihnen selbstgenähte Kleidung und Spielzeug zur Verfügung. Zudem ist Auguste - wie ihre Eltern - zutiefst gläubig. Sie ist Mitglied der Marianischen Jungfrauenkongregation und nimmt jeden Morgen um 6 Uhr an der heiligen Messe teil. Eines Tages erfährt sie (vermutlich bei einem Besuch ihrer Großeltern in Lüttich), dass es in Frankreich einen Verein gibt, der benachteiligten und ausgesetzten Kindern in China helfen möchte.
In den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts erreichen Europa Briefe von Missionaren aus China. Darin beschreiben sie Schicksale von chinesischen Kindern, vornehmlich Mädchen, die von ihren Eltern aus Not ausgesetzt werden. Auch der Bischof von Nancy erfährt von diesen Briefen. Um den Kindern zu helfen, gründet er 1843 das Œuvre de la Sainte-Enfance, das Werk der heiligen Kindheit. Schon im ersten Jahresbericht des Vereins steht, dass er das Werk in deutschsprachigen Ländern etablieren möchte. Er selbst versucht das auch, aber erfolglos. Folgendes Zitat ist von ihm überliefert:
„Wenn ich doch nur ein intelligentes und einsatzbereites junges Mädchen fände, das sich dieser Sache annehmen würde." - Bischof Charles-Auguste de Forbin-Janson
Es dauert zwei Jahre bis sich dieses Mädchen in Deutschland findet. Auguste erfährt von den Plänen des Bischofs von Nancy und gründet 1846 das Werk der heiligen Kindheit in Aachen, auch „Kindheit-Jesu-Verein“ genannt. Zu Beginn hat es auch Auguste schwer, Mitglieder für den Verein zu gewinnen. Erst als 1847 der örtliche Kaplan Wilhelm Sartorius in der Schule vor einer Jungenklasse über die Tätigkeit der Werke spricht, die es inzwischen in Frankreich und Belgien gibt, finden sich viele Interessenten. Aber zuerst müssen die Eltern ihr Einverständnis geben. Im Schneeballsystem werden die Aachener Kinder und auch die Pfarrer und Kapläne für den Verein geworben. Die Mitgliederzahl steigt stetig - auch über die Ortsgrenze hinaus: Durch Augustes Einsatz breitet sich in den kommenden Jahren der Verein in den meisten Diözesen Deutschlands aus. Neun Jahre lang kümmert sich Auguste um das Werk der hl. Kindheit in Aachen.
Ordensfrau auf Reisen
1855 gibt Auguste ihre Vereinstätigkeit schweren Herzens ab. In einem Brief an den Generalsekretär des Vereins in Frankreich schreibt sie: „Ich kann Ihnen nicht sagen, wie traurig ich bin, mich von dem Werk trennen zu müssen, das neun Jahre hindurch mein ganzer Trost war.“ Aber sie hat ihre Entscheidung getroffen: Auguste möchte Ordensschwester werden. Mit 25 Jahren verlässt sie ihre Heimatstadt Aachen. Sie geht in das Kloster Bloemendal (Vaals) in der niederländischen Provinz Limburg, um in den Orden der Sacré-Cœur-Schwestern einzutreten. Ihre Einsatzbereitschaft aus Kindheitstagen behält sie bei. Auguste steigt rasch innerhalb des Ordens auf, übernimmt in verschiedenen Klöstern zunehmend höhere Ämter. Sie besucht deutsche Nachbarländer, überquert den Atlantik und reist bis in den US-Bundesstaat Louisiana. 1886 kommt sie schließlich zurück nach Europa, wo sie zur Generaloberin der Sacré-Cœur-Schwestern gewählt wird. 1895 stirbt Auguste im Mutterhaus des Ordens in Paris an den Folgen eines Schlaganfalls. Sie wird 65 Jahre alt.
Wenige Jahre vor ihrem Tod kann Auguste noch mitverfolgen, dass ihr Herzensprojekt aus jungen Jahren an Bedeutung und an Hilfeleistungen wächst. 1891 nimmt das Werk der heiligen Kindheit zum ersten Mal in nur einem Jahr mehr als eine Million Mark ein. 113 Jahre nach Gründung des Vereins startet 1959 die erste Aktion Dreikönigssingen und greift damit die Grundidee von damals auf: Kinder helfen Kindern! Auch heute noch lebt Augustes Idee von einer besseren Welt weiter: in den Herzen Tausender Kinder, die sich stark machen und Geld sammeln für Kinder weltweit, denen es nicht so gut geht.
Die Geschichte von Auguste zum Ansehen und Anhören!
Auguste von Sartorius erzählt ... – Hörspiel
In rund acht Minuten können Sie eine kleine Zeitreise machen und Auguste von Sartorius in die Mitte des 19. Jahrhunderts begleiten.
Dank an www.hoerspielbox.de und an Barbara Osterwinter für die gute Vorarbeit!